Der Legislation-Peace Nexus

von Franz Jedlicka

Der Legislation-Peace Nexus – man kann ihn auch Legislation-Peace Ansatz nennen - bezeichnet den Zusammenhang zwischen der Gesetzgebung eines Landes und dessen Friedlichkeit. Eine Gesetzgebung die alle Formen der Gewalt verbietet macht Länder tendenziell friedlicher, während ein Fehlen solcher Gesetze eine Kultur der Gewalt fördert und Akte der Gewalt legitimiert, darunter auch bewaffnete Konflikte.

Die Legislation-Peace Theorie entstand durch meine Arbeit an der Culture of Violence Scale, in der ich weltweite Daten zur Legitimität verschiedener Formen von Gewalt in allen Ländern der Welt analysiert habe: In seiner ersten Version (2023) war das die Frage, ob im jeweiligen Land

  • die Todesstrafe noch praktiziert wird
  • Folter noch praktiziert wird (die Anti-Folter Deklaration nicht unterschrieben wurde)
  • körperliche Bestrafung im Strafvollzug praktiziert wird
  • die Gewalt gegen Kinder noch erlaubt ist (Körperstrafe)
  • die häusliche Gewalt gegen Frauen und die Vergewaltigung in der Ehe nicht verboten ist
  • die Verfolgung und Ermordung von Homosexuellen bzw. LGBTIQ+ Personen gesetzlich erlaubt wird

Dabei hat sich gezeigt, dass die meisten der Länder, in denen diese Formen von Gewalt noch legal sind, im Global Peace Index (GPI) schlechter abschneiden, während Länder, in denen alle der genannten Handlungen verboten sind, meist auf den vorderen Plätzen dieses Indexes zu finden (Ausnahmen sind natürlich Länder, die angegriffen wurden - auch diese schneiden im GPI schlechter ab, obwohl sie, vereinfacht gesagt, keine Schuld trifft).

Das beste positive Beispiel dafür sind die Länder der Europäischen Union: fast alle Mitgliedsstaaten haben alle Formen der Gewalt gesetzlich verboten und vermitteln damit ihren Bürgerinnen und Bürgern, dass Gewalt nie ein erlaubtes Mittel der Konfliktlösung ist. Man kann von einer konsequenten Gesetzgebung der Gewaltlosigkeit sprechen.

Aus Sicht der Friedenspsychologie ist ein Verbot der Gewalt in der Kindererziehung die dringendste Aufgabe für Länder, die friedlicher werden wollen. Die negativen Auswirkungen von früh erlebter Gewalt sind ausführlich erforscht, aber es dauert mehrere Jahre, bis eine gewaltfrei erzogene Generation heranwächst und mit der erworbenen Empathie die Politik eines Landes gestalten kann.

Legislation-Peace Nexus Franz Jedlicka

Das soll jedoch nicht bedeuten, dass ein Verbot anderer Formen von Gewalt weniger wichtig ist. Es wird vermutlich eine Frage der Verhandlungen zwischen politischen Akteurinnen und Akteuren sein, welche Gesetzesreformen am schnellsten umgesetzt werden können.

Ein Vorteil dieser Friedensstrategie ist es, dass sie einigen SDGs entspricht, zu deren Erreichung sich sowieso alle Länder der Welt verpflichtet haben: hier ist zum Beispiel der SDG 16.2. (Kinder vor Gewalt schützen) und der SDG 5.2. (Frauen und Mädchen vor Gewalt schützen) zu nennen. Es sollte also in der Regierung jedes Landes das prinzipielle Interesse an diesen Änderungen bereits vorhanden sein, unabhängig von politischen Gegensätzen.

Jedoch sind Gesetzesänderungen im Sinne des Legislation-Peace Nexus (für mich übrigens Teil einer „Peace Mainstraming“ Strategie) keine kurzfristige Friedensstrategie: die positive Wirkung kann sich meistens erst nach einiger Zeit entfalten. Dabei ist auch relevant, ob Gesetzesänderungen von einer Informationskampagne begleitet werden, die die Bevölkerung ausführlich darüber informiert, dass bestimmte Formen von Gewalt nun verboten sind.

Der gesetzliche Schutz von Menschen vor physischer Gewalt ist nicht der einzige Schwerpunkt des Legislation-Peace Ansatzes. Es geht natürlich auch um einen Schutz aller Bürgerinnen und Bürger vor Diskriminierung. Wenn Bevölkerungsgruppen nicht mehr diskriminiert werden, sinkt die „strukturelle Gewalt“ (Johan Galtung) im betreffenden Land, die ebenso der Nährboden für bewaffnete Konflikte ist. Insbesondere die Gleichberechtigung von Frauen ist ein wichtiger Friedensfaktor, was auch wissenschaftlich mehrfach nachgewiesen wurde und sich in der UNSC Resolution 1325 niederschlug.


Literatur und Datenquellen (Auswahl)

Early Childhood Peace Consortium: https://ecdpeace.org

Global Peace Index: https://www.visionofhumanity.org/resources/

GRILLE, Robin (Buch): Parenting for a peaceful world

HUDSON, Valerie, LEE BOWEN Donna, NIELSEN, Perpetua Lynne (Buch): The First Political Order. How Sex Shapes Governance and National Security Worldwide

INSPIRE Handbuch für einen besseren Schutz von Kindern vor Gewalt: https://inspire-strategies.org

JEDLICKA, Franz: Culture of Violence Scale 2023: http://dx.doi.org/10.13140/RG.2.2.22929.81760

LECKMAN, James F., PANTER-BRICK, Catherine, SALAH, Rima (Hg. - Buch): Pathways to Peace. The transformative Power of Children and Families

Liste von Ländern, die die Körperstrafe in der Kindererziehung verbieten: https://endcorporalpunishment.org , https://en.wikipedia.org/wiki/Child_corporal_punishment_laws

Liste von Ländern, die Gewalt gegen Frauen verbieten: https://genderdata.worldbank.org/en/indicator/sg-leg-dvaw

Report über die rechtliche Situation von LGBTIQ+ Personen weltweit: https://ilga.org/state-sponsored-homophobia-report/ .

UNSC (United Nations Security Council) Resolution 1325: https://de.wikipedia.org/wiki/Resolution_1325_des_UN-Sicherheitsrates

Women, Business and the Law Report https://wbl.worldbank.org/en/wbl (erscheint regelmäßig)

Women, Peace and Security Index: https://giwps.georgetown.edu/the-index/ (erscheint regelmäßig neu)



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